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AIS – Möglichkeiten und Grenzen

Mittwoch, den 6. Februar 2008

AIS steht für Automatisches Identifizierungs-System. AIS-Geräte verbreiten und empfangen automatisch Daten, mit denen Schiffe in der Umgebung identifiziert werden können. Seit dem 1. Juli 2005 ist AIS weltweit in der Berufsschifffahrt eingeführt. Längst sind alle Schiffe (über Bruttoraumzahl 300) damit ausgerüstet. Auch viele Bootseigner kaufen zur eigenen Sicherheit ein AIS-Gerät. Damit wollen sie sicherstellen, dass ihre Yacht, die von einem anderen Schiff vielleicht im Radar übersehen wird, per AIS angezeigt wird. Doch das kann sich als trügerischer Irrtum erweisen. Auch AIS hat seine Grenzen.

Vier AIS-Datentelegramme

AIS-Geräte tauschen untereinander vielfältige Daten aus. Diese Daten werden in vier so genannten Datentelegrammen gesendet. Im ersten Datentelegramm sind alle statischen Informationen über das Schiff verpackt, wie Name, Rufzeichen, Länge, Breite und Art. Diese Daten dienen dazu, ein bestimmtes Schiff anrufen zu können. Das zweite Datentelegramm enthält die dynamischen Informationen: aktuelle Position, derzeitiger Kurs, Geschwindigkeit (Fahrt) uvm. Diese Daten dienen der Kollisionsverhütung. Im dritten Datentelegramm werden reisespezifische Angaben übermittelt. Darunter fallen der aktuelle Tiefgang, die Ladungskategorie, der Zielhafen, die Ankunftszeit, der Routenplan usw. Diese Daten interessieren die Verkehrsleitstellen an Land. Mit dem vierten Datentelegramm schließlich können Sicherheitsinformationen und Warnungen verbreitet werden. Diese Funktion wird vor allem von den Verkehrsleitstellen genutzt.

AIS im Internet

Weitere Informationen über AIS finden Sie bei rolfdreyer.de. AIS-Live gibt es bei vesseltracker.com und kielmonitor.de.

AIS-Geräte-Klassen A und B

Die Berufsschifffahrt verwendet ausschließlich AIS-Geräte der Klasse A; für Sportboote wurde eine eigene Geräteklasse B geschaffen. AIS-Geräte der Klasse B sind ebenfalls Aktivgeräte; d. h. sie empfangen AIS-Daten und senden auch selbst. Daneben gibt es auch reine AIS-Empfänger, die nicht selbst senden. Es gibt sie bereits ab etwa 200 €. Solche reinen AIS-Empfänger sind auf anderen AIS-Geräten unsichtbar; sie selbst aber können AIS-Schiffe sehen.

Eingeschränkte Sicherheit bei AIS-Geräten der Klasse B

AIS-Geräte der Klasse B werden ab 900 € angeboten. Damit sind sie zwar billiger als AIS-Geräte der Klasse A, aber auch schlechter. Zum einen senden Klasse B-Geräte nur alle 30 Sekunden – das wäre ja noch akzeptabel. Aber Klasse B-Geräte können nur in Pausen senden, wenn kein Klasse A-Gerät aktiv ist. In eine Warteschleife, wie sie für Klasse A-Geräte bei starkem Verkehr automatisch angelegt wird, können sich Klasse B-Geräte nicht einreihen. Sie müssen warten, bis kein Klasse A-Gerät sendet. In stark befahrenen Gebieten kann ein Sportboot also nicht alle 30 Sekunden, sondern wesentlich seltener seine aktuelle Position übermitteln.

Unsichere Positionsangabe bei AIS-Geräten der Klasse B

Wenn ein Sportboot seine Position nur selten übermitteln kann, dann stimmt die Position nicht. Die Yacht ist dann schon viel weitergelaufen, als von AIS angezeigt wird. Hinzukommt, dass das erste Datentelegramm (das die Angaben enthält, um ein Schiff anrufen zu können) von Klasse B-Geräten oftmals gar nicht übermittelt werden kann, weil inzwischen schon wieder ein Klasse A-Gerät seine Daten abstrahlt. Andere Schiffe können dann kein Sportboot anrufen.

Probleme mit den neuen Kompaktantennen

Über ein neues Problem berichtete die Zeitschrift Yacht in Ausgabe 4/2008: Die von Sportbooten ausgestrahlten AIS-Signale werden nur zur Seite oder nach vorne, aber nicht in alle Richtungen ausgestrahlt, wenn die neuen kompakten Antennen, so genannte Lambda-Viertel-Strahler, eingesetzt werden. Ein großes Schiff, das sich von hinten einer Yacht nähert, kann diese per AIS nicht erkennen. Bei herkömmlichen UKW-Antennen sollen keine Probleme auftreten.

Irreführung

Manche Hersteller vermarkten ihre AIS-Geräte als „AIS-Radar“. Dies ist nicht nur eine grobe Irreführung der Verbraucher. Einem Hersteller, der so seine AIS-Geräte anpreist, würde ich nicht im Geringsten vertrauen. AIS kann Schiffe identifizieren, aber nicht erkennen. Fahrzeuge ohne AIS – Yachten, kleine Fischer, Kriegsschiffe – werden natürlich genauso wenig angezeigt, wie jene Schiffe, deren AIS-Gerät defekt oder abgeschaltet ist.

Klasse B-Geräte können ausgeblendet werden

Moderne Navigationsgeräte vereinen die elektronische Seekarte, Radar und AIS in einem Bildschirm. Steuerte ein so ausgerüstetes, großes Schiff an einem schönen Sonntag Nachmittag durch die Kieler Förde den Nord-Ostsee-Kanal an und besäße dort jedes Sportboot ein eigenes AIS-Gerät, so wäre der gesamte Bildschirm mit lauter AIS-Anzeigen überflutet und nicht mehr einsetzbar. Das darf nicht passieren und daher können die Signale von AIS-Geräten der Klasse B ausgeblendet werden. Woher weiß eine Yacht, dass der dicke Pott da hinten, der sich so schnell bedrohlich annähert, nicht alle Klasse B-Signale ausgeblendet hat?